ANTIKE GRIECHISCHE STATUEN AUS ZINNBRONZE: ÜBERLEGUNGEN ZUM URSPRÜNGLICHEN ERSCHEINUNGSBILD FÜR ANTIKE BESUCHER

Eine Statue aus Zinnbronze, einer Legierung mit etwa 90 % Kupfer und 10 % Zinn, besitzt zunächst eine hochglänzende, leicht rötliche bis überwiegend goldene Färbung. Dank der 2022 vom Louvre Museum veröffentlichten Untersuchungsergebnisse des Wagenlenkers von Delphi wissen wir, dass die antiken Besucher Delphis die Statue in diesem goldenen Glanz erblickten.

Die Oberfläche von Zinnbronze oxidiert jedoch relativ schnell, wodurch sich eine matte, dunklere Färbung entwickelt. In einem ersten Schritt bildet sich eine bräunliche bis dunkelbraune Schicht aus Kupferoxid und Kupferoxidverbindungen. Setzt sich die Oxidation fort und wirkt Feuchtigkeit sowie Kohlendioxid in der Luft auf die Bronze ein, entsteht eine grüne Patina. Diese grünliche Verfärbung wird hauptsächlich durch Kupfercarbonat, wie etwa Malachit, und Kupferchloridverbindungen verursacht. Diese Patina ist bekannt dafür, die Bronze vor weiterer Korrosion zu schützen.

Unter speziellen Umweltbedingungen, etwa in der Nähe des Meeres, können sich auch bläuliche Töne entwickeln, die vor allem durch Kupfersalze und -chloride hervorgerufen werden. Im ursprünglichen Zustand weist eine Zinnbronze-Statue also einen rötlich-goldenen Glanz auf, der sich im Laufe der Zeit durch Oxidation in eine braune und später in eine grüne oder bläuliche Patina verwandelt.

Es stellt sich die Frage, ob die Hüter von Delphi diese Oxidationsprozesse bewusst zugelassen haben. Sollte dies der Fall gewesen sein, hätten die Statuen nach einigen Jahren ihren goldenen Schimmer verloren und stattdessen die beschriebenen oxidierten Farbtöne angenommen. Vieles spricht jedoch dafür, dass die Amphiktyonen die Statuen durch kontinuierliche Pflege in ihrem goldenen Glanz bewahrten. Diese Annahme wird durch historische Berichte von antiken Besuchern gestützt. Darüber hinaus ist bekannt, dass bedeutende Götterstatuen in griechischen Tempeln, wie die Zeusstatue in Olympia und die Athene-Statue im Parthenon, täglich und aufwendig gepflegt wurden. Daher liegt die Vermutung nahe, dass auch die Bronzestatuen in Delphi sorgfältig instand gehalten wurden, da sie eine bedeutende Rolle im Erlebnis der antiken Besucher spielten.

Die Pflege der Statuen könnte unter anderem in der Aufbringung einer Wachsschicht bestanden haben, eine Methode, die historisch vielfach belegt ist. Durch regelmäßige Pflege und das erneute Auftragen von Wachs sowie intensiven Reinigungen der Oberfläche konnte der ursprüngliche goldene Glanz einer Zinnbronze-Statue über Jahrhunderte erhalten bleiben.

Die Bedeutung von golden schimmernder Zinnbronze zeigt sich auch darin, dass diese Legierung selbst Jahrhunderte nach der Erschaffung des Wagenlenkers von Delphi bei den Römern bevorzugt wurde. Bronzeartefakte, die 1998 in Pompeji entdeckt und von der Goethe-Universität Frankfurt untersucht wurden, zeigten fast durchgängig die klassische Zusammensetzung von Zinnbronze: 90 % Kupfer und 10 % Zinn.

Fazit: Es gibt überzeugende Anhaltspunkte dafür, dass lebensgroße antike Bronzestatuen aus Zinnbronze gefertigt wurden und sich den Betrachtern in ihrem ursprünglichen Zustand golden schimmernd präsentierten.